Finanzierung der WHO: Gesundheit ist keine Ware

Finanzierung der WHO: Gesundheit ist keine Ware

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Frau Baum, das muss ich doch mal loswerden: Jetzt wollen Sie quasi alles von der WHO wieder zu Herrn Lauterbach zurückbringen. Ich finde, jetzt wird es für die AfD wirklich einigermaßen schizophren: entweder das eine oder das andere. Sie haben Lauterbach zwei Jahre lang bekämpft, wie es nur geht. Ich habe auch Kritik an ihm, aber jetzt von der WHO alles zu ihm wieder zurückzuholen, ist doch gar nicht in Ihrem Sinne. - Aber so viel zu Verschwörungstheorien von der AfD.


Wir wissen nicht erst seit der Covid-19: Krankheiten kennen keine Grenzen. Daher ist die Weltgesundheitsorganisation, die WHO, eine gute, eine notwendige Organisation, von der die Menschheit auf dem gesamten Globus profitiert. Die globalen Anstrengungen der WHO, starke Gesundheitssysteme und notwendige Routineimpfungen in allen Ländern der Welt zu etablieren, schützen uns alle vor Erkrankungen und Todesfällen.
Allerdings ist es bis dahin noch ein weiter Weg: 30 Prozent der Weltbevölkerung haben keinen gesicherten Zugang zu ausreichender medizinischer Versorgung. UNICEF warnte kürzlich, dass 67 Millionen Kinder in der Zeit zwischen 2019 und 2021 die üblichen Routineimpfungen verpasst haben; die Durchimpfungsrate sinke in 112 Ländern. Die Konsequenz - das betrifft auch die Ausrottung von Kinderlähmung -: Die Masernfälle haben sich 2022 im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt, die Zahl der durch Polio gelähmten Kinder stieg um 16 Prozent. Das hat Folgen - vor allem für die Ärmsten: Von den 25 Ländern mit der niedrigsten Lebenserwartung lagen im Jahr 2020 25 in Afrika.
Um das auszugleichen, um das auszubessern, ist es so wichtig, dass die WHO gut finanziert wird und über die Gelder frei verfügen kann. Denn gegenwärtig wird die Organisation zu 80 Prozent aus Spenden privater Organisationen finanziert. Die meisten der eingenommenen Gelder sind zweckgebunden; der Geldgeber entscheidet, wofür sie ausgegeben werden. Die WHO nimmt nur eine quasi vermittelnde Rolle ein.
Da aber auch Teile der freiwilligen staatlichen Zuwendungen nicht frei zur Verfügung stehen, bleiben der WHO von den gesamten Einnahmen nur noch 17 Prozent, in den Jahren 2022 und 2023 nur circa 1 Milliarde Dollar, zur freien Verfügung. 1 Milliarde Dollar ist ganz schön wenig für eine Organisation, die sich um die Gesundheit der Welt kümmern soll.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Daher begrüßen wir, dass Sie sich vorgenommen haben, einen Fokus auf eine nachhaltige Finanzierung der WHO zu legen. Mit einer stärkeren frei verwendbaren Finanzierung würde der Anteil der Pharmaindustrie und der Nahrungsmittelkonzerne zurückgedrängt werden. Das würde mehr Transparenz und mehr Autonomie für die WHO bedeuten und mehr Entscheidungsmacht im Sinne der Menschen. Für dieses Ziel, eine globale, solidarische, weil vorrangig von der Staatengemeinschaft getragene Gesundheitsversorgung zu schaffen, haben Sie unsere vollste Unterstützung.


(Beifall der Abg. Dr. Kirsten Kappert-Gonther (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))


Gesundheit ist keine Ware, sehr geehrte Damen und Herren.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Leider bleiben Sie bei einem Appell, obwohl Deutschland selbst mit gutem Beispiel vorangehen könnte. Auch wir haben unsere freiwilligen Beiträge im letzten Jahr zurückgefahren - und auch diese sind zum großen Teil zweckgebunden. Vielleicht wäre das ein guter Schritt, ein Vorbild auch für die anderen Länder, mehr Gelder zur freien Verfügung zu stellen.
Außerdem sollte diese durch und durch humanitäre Aufgabe, die Herausforderung für die internationale Gemeinschaft nicht mit einem davon unabhängigen außenpolitischen Beigeschmack belegt sein. Was hat die Rolle Taiwans mit der Cholerabekämpfung zu tun? Warum spielt Taiwans Beobachterstatus eine Rolle? Warum begeben Sie sich in einem solchen Antrag in eine unnötige, völkerrechtlich übrigens schwierige Fragestellung, die Sie ja sonst immer tunlichst vermeiden? Wir können über große Außenpolitik diskutieren, aber dann eben ehrlich und groß und nicht verschämt durch die Hintertür.


(Beifall bei der LINKEN - Zuruf von der AfD)


Deswegen zum Abschluss: Nicht nur zum 75. Geburtstag: Die WHO verdient unsere uneingeschränkte Unterstützung; versteckte Versuche großer Außenpolitik und reine Appelle ohne Konsequenzen reichen da allerdings nicht.
Vielen, vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)