Pflegepolitik
Demografische Entwicklung: Deutschland wird älter
Etwa fünf Millionen Menschen haben in Deutschland einen Pflegebedarf, Tendenz steigend. Und so paradox das klingt, ist das eine gute Nachricht: Denn das heißt auch, dass Menschen in diesem Land immer älter werden. Und mit zunehmenden Alter steigt auch das Risiko, Unterstützung und Pflege zu brauchen – auch wenn wir bei der Betrachtung nicht die vielen jungen Menschen und Kinder außer acht lassen wollen, die auf Pflege angewiesen sind.
Und doch ist es auch eine schlechte Nachricht, denn das Pflegesystem ist bereits am Limit und sogar deutlich darüber hinaus! Zuzahlungen und Eigenanteile werden immer teurer. Menschen scheuen sich, Unterstützung zu holen, weil sie die hohen Kosten fürchten. Und in einigen Regionen gleicht es ohnehin einem Lottogewinn, einen Vertrag mit einem ambulanten Pflegedienst abschließen zu können oder einen Platz im Pflegeheim zu bekommen. Pflegefachpersonen leiden unter den schlechten Arbeitsbedingungen, die dazu führen, dass immer mehr von ihnen den Beruf verlassen. Pflege am Limit!
Vier von fünf Personen mit Pflegebedarf werden zu Hause versorgt, mehr als die Hälfte von ihnen allein durch ihre Angehörigen ohne die Unterstützung von Pflegediensten. Diese pflegenden Angehörigen und Freund*innen brauchen dringend Unterstützung. Sie sind finanziell nicht selber abgesichert, dabei bedeutet die Pflege eines lieben Menschen daheim einen Arbeitsaufwand von durchschnittlich 50 Stunden pro Woche für die Hauptpflegeperson.
Soll ich im Beruf kürzer treten, eine Auszeit nehmen oder sogar ganz kündigen? Was bedeutet Pflege für das Familiengefüge? Diese und weitere Fragen müssen in einer emotional belasteten Situation geklärt werden. Hinzu kommt ein Bürokratiedschungel, den pflegende Angehörige bewältigen müssen und an dessen Ende meist nicht mal die erhoffte Hilfe wartet. Denn die Instrumente der Bundesregierung sind dürftig: Familienpflegezeit und Familienpflegegeld helfen maximal kurzfristig. Langfristig sind Familien gezwungen, sich alleine zu organisieren. Dabei darf nicht verschwiegen werden, dass dies auch eine Frage der Gleichstellung ist, denn noch immer sind es vor allem Frauen, die als Partnerinnen, Töchter und Schwiegertöchter die Pflege in der Familie leisten.
Vier von fünf Personen werden zu Hause versorgt
Pflegebedingte Eigenanteile – Armutsfalle Pflege
Die nötige Unterstützung durch ambulante Pflegedienste zu bekommen, wird immer schwieriger. Die Wartelisten sind lang. In einigen Regionen ist es gänzlich aussichtslos, einen Pflegedienst zu finden. Dies betrifft längst nicht mehr nur ländliche Gebiete, die schwierig kostendeckend zu versorgen sind – was schlimm genug wäre. Vielmehr ist diese Entwicklung inzwischen selbst in Ballungsräumen angekommen.
Pflegedienste haben schon seit Jahren Probleme, Stellen zu besetzen. Zum einen, weil in allen Bereichen der Pflege Bewerber*innen fehlen. Zum anderen, weil die Löhne in der ambulanten Pflege noch immer unter denen liegen, die die Kolleg*innen in der stationären Pflege bekommen. Außerdem ist die Arbeit hochverdichtet, was die Arbeitsbedingungen für viele sehr belastend macht.
Gleichzeitig müssen Menschen mit Pflegebedarf immer höhere Zuzahlungen leisten, wenn sie ambulante Hilfe in Anspruch nehmen. Eine Spirale, die es zu durchbrechen gilt, damit alle die Pflege bekommen, die sie brauchen und die Pflegefachpersonen diese unter guten Bedingungen leisten können.
Steigende Kosten bei gleichzeitig sinkender Qualität sind die Hauptprobleme in der stationären Pflege. Zu den stetig ansteigenden Eigenanteilen kommen Investitionskosten ebenso hinzu wie eine Ausbildungsumlage. Für all diese Belastungen hat die Regierungskoalition Abhilfe versprochen. Geliefert hat sie nicht. Die Zuschüsse zu den Eigenanteilen können deren Anstieg kaum dämpfen. Investitionskosten, eine klare Aufgabe der Länder, müssen weiter von den Pflegebedürftigen getragen werden. Und obwohl die Abschaffung der Ausbildungsumlage extra im Koalitionsvertrag festgehalten wurde, redet in der Regierung niemand davon. All dies, zusätzlich zu den Auslagen für die Unterkunft und die Verpflegung, übersteigt eine durchschnittliche Rente mittlerweile deutlich.
Gleichzeitig melden immer mehr Heime Insolvenz an und Pflegebedürftige müssen ihre vertraute Umgebung verlassen. Es gibt keine Bewerber*innen, dafür viele offene Stellen. Die verbliebenen Kolleg*innen müssen immer mehr und immer schneller arbeiten. Für Fachlichkeit bleibt da keine Zeit. Eine Verdichtung, die krank macht – Beschäftigte und Pflegebedürftige.
So dürfen wir weder mit Beschäftigten noch mit Pflegebedürftigen umgehen. Pflege darf nicht krank machen. Nicht mal diese Minimalerwartung wird erfüllt, dabei ist es unsere gesellschaftliche Verantwortung, gute Pflege zu gewährleisten.
Pflege darf nicht krank machen
Solidarische Gesundheits- und Pflegeversicherung für alle
Wir fordern eine solidarische Gesundheits- und Pflegeversicherung, in die alle einzahlen, auch Beamte, Bundestagsabgeordnete, Besserverdienende und Vermögende. So wird eine Pflegevollversicherung finanzierbar, die alle pflegebedingten Leistungen übernimmt (und bis zu einem Einkommen von rund 6.000 Euro pro Monat sinken die Kosten sogar!)
Eine solidarische Finanzierung der Pflege
Wir fordern eine gerechte Steuerpolitik, bei der hohe Einkommen und Vermögen stärker zur Finanzierung des Pflegesystems beitragen. Dies würde die nötigen Mittel für die Finanzierung einer guten Pflegeversorgung für alle sicherstellen.
Pflegekräfte verdienen mehr Anerkennung, bessere Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen. Hierzu müssen bundesweit verbindliche Tarifverträge eingeführt werden.
Fair Play in der Pflege
24-Stunden-Betreuungsverhältnisse durch einzelne Personen (meist aus dem Ausland) widersprechen in aller Regel deutschem Arbeitsrecht. Wir sind in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass Menschen gut betreut werden, ohne andere dafür illegal auszubeuten.