Gedanken zum Jahresausklang

Liebe Freundinnen und Freunde,

das Jahr 2022 geht zu Ende – wahrlich kein gutes Jahr: Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, atomare Bedrohungen, ein weiterer Zuwachs an Armut – und manche hoffen, dass rein die Jahreszahl was ändert: Dem ist leider nicht so, im Gegenteil. Im Osten Europas will, der Kriegslogik verhaftet, keine Staatsführung als Verlierer dastehen. Anstatt an den Tisch zu gehen, wird weiter gekämpft. Damit ist der Verlierer klar: Die, die den Staat nicht anführen: Die Menschen in der Ukraine, die Soldat:innen, deren Mütter und Väter und die Kinder.

Gleichzeitig folgen nicht nur zwei Länder der Kriegslogik, sondern es ist die gesamte Welt, die mitzieht: Auch Deutschland rüstet auf: Und da gleichzeitig die Reichen nicht zur Kasse gebeten werden und nicht umverteilt wird, nimmt der Reichtum der Krisenprofiteure weiter zu und es rutschen weitere Menschen in die Armut.

Neben dem Krieg in der Ukraine dürfen wir auch nicht die anderen Todeszonen aus dem Blickfeld verlieren, die Kriege im Jemen, in den kurdischen Gebieten, an vielen Orten in Afrika, und auch nicht die Geflüchteten, die tagtäglich nach wie vor sterben, im Mittelmeer und anderswo.

Und der Klimawandel nimmt weiter Fahrt auf: In der Energiekrise verrutscht der Diskurs, Atomkraft rückt wieder in den Bereich des Möglichen, auch Gas und Kohle; Öl darf weiter von (fast) allen Diktatoren bezogen werden. Während die letzte Generation mit Klebemittel versucht, Klimawandel im Diskurs zu halten, erstellen Reichsbürger Todeslisten – ersteres wird verteufelt, letzteres verharmlost.

Als pazifistischer Sozialist hat man es in solchen Zeiten nicht leicht. Und dann sind da noch die vermeintlich kleinen Fragen, mit denen ich mich nach einem Jahr im Bundestag ganz besonders beschäftigte: Triage und Suizidbegleitung, daneben ein Gesundheitsminister, der eine Krankenhausreform beginnt, die droht, die von ihm initiierte Fallpauschalenreform der 00er-Jahre zu verschlimmern. Wäre ich zynisch, würde ich sagen, wenn nun wenigstens Cannabis legal würde, dann gäbe es wenigstens die Möglichkeit, sich das schönzukiffen.

Aber ich bin nicht zynisch, im Gegenteil: Denn es gibt auch andere Nachrichten: Es gibt die großen guten Nachrichten: Es gibt Lula in Brasilien, und es gibt die mutiger Iranerinnen und Iraner. Und es gibt die guten Nachrichten auch hier: Eine millionenfach unterschriebene Petition und die Beschäftigten erwirkten, dass die Machenschaften im Gesundheitsministerium aufgedeckt und die Hebammen gegen den Willen des Ministeriums ins Pflegebudget rein und damit quasi nach Bedarf finanziert werden – mit dem Druck von der Straße.

Das Jahr war auch für meine Partei schwierig: Aber in Anbetracht dieser Weltlage, in Anbetracht dessen, was droht, wenn es eine schwache Linke hier und weltweit gibt, aber auch, was möglich ist, wenn es andersrum ist: In Anbetracht dessen lasst uns nicht zynisch werden, sondern lasst uns gemeinsam das nächste Jahr betreten, die Auseinandersetzungen für eine bessere Welt fortführen – die Welt friedlicher und gerechter machen, das ist das Ziel.