Kommentar zur öffentlichen Anhörung zum Pflegeunterstützung- und -entlastungsgesetz (PUEG) am 10. Mai

Parlament

An einem Punkt waren sich alle Befragten bei der öffentlichen Anhörung zum Pflegeunterstützung- und -entlastungsgesetz (PUEG) am Mittwoch im deutschen Bundestag einig: Wenn die Leistungen für Pflegebedürftige schon nicht angehoben werden, so ist doch eine flexiblere Nutzung das Minimum, das die Bundesregierung hinbekommen muss. Sonst ist es um die Entlastung, die im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP versprochen wurde, nicht weit her. Es braucht einen gemeinsamen Jahresbetrag, in dem mindestens die Leistungen für Kurzzeit- und Verhinderungspflege zusammengefasst werden und der dann für diese Leistungen flexibel genutzt werden kann. Besser noch wäre es, wenn die Tages- und Nachtpflege ebenfalls mit in den Topf kommt. Zumindest die kleinere Variante war im Referentenentwurf zum PUEG noch vorgesehen, im Gesetzentwurf, der Ende Mai abschließend im Bundestag verabschiedet werden soll, sucht man solche pragmatischen Lösungen allerdings vergeblich.

Der Verband „wir pflegen“, eine Interessenvertretung pflegender Angehöriger, machte eindrücklich deutlich, wo das Problem liegt: Mangels Angebot werden nur drei Prozent der möglichen Leistungen in der Kurzzeitpflege in Anspruch genommen. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe betonte, dass dringend auch Tages- und Nachtpflege in diesen Katalog einzubinden sei, da zum Beispiel Eltern pflegebedürftiger Kinder diese Leistungsansprüche nie nutzen können, aber andere Entlastungsmöglichkeiten dringend brauchen.

Ein gemeinsamer Leistungsbetrag wäre enorm wichtig, damit Pflegepersonen, die den Hauptteil der Pflegearbeit in Deutschland leisten, bessere und passgenauere Entlastungsangebote wahrnehmen könnten. Denn eines müssen wir uns deutlich machen: Es ist fast noch schlimmer, wenn - wie der Referentenentwurf beweist - das Problembewusstsein wohl vorhanden ist. Denn damit wird aktiv verhindert, dass Pflegebedürftige Leistungen abrufen können. Die Bundesregierung spart also in vollem Bewusstsein auf Kosten derjenigen, die einerseits auf die Leistungen angewiesen sind und die oftmals in finanziell prekären Situationen leben müssen.

Denn auch diese prekäre Lebenssituation löst das PUEG nicht auf. Im Gegenteil zieht sich das Spardiktat auf Kosten Pflegebedürftiger wie ein roter Faden durch den Gesetzentwurf. Die Caritas betonte, dass die vorgesehene Erhöhung des Pflegegeldes erst im kommenden Jahr viel zu spät käme. Sie plädierte eindringlich an die Koalitionäre, zumindest diese Erhöhung vorzuziehen, da eine enorme Entwertung der Leistung stattgefunden hat, seitdem sie im Jahr 2017 das letzte Mal angepasst wurde. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz ergänzte, wie schwer es vielen Pflegebedürftigen falle, dass sie auch in diesem Jahr mit den Mehrkosten alleine gelassen werden. Der Vertreter machte sich für eine jährliche automatische Dynamisierung stark, wie sie auch im Koalitionsvertrag zugesagt wurde, damit die Pflegebedürftigen eine finanzielle Planbarkeit zurückerhalten und nicht auf willkürliche Erhöhungen angewiesen sind.

Das Zynische ist: Das Geld, die zusätzlichen Kosten zu stemmen, wäre bereits im gegenwärtigen System der Pflegefinanzierung da. Auch wenn eine Reform der Finanzierung ebenfalls dringend geboten ist, um sie nachhaltig zu machen. So hat Prof. Heinz Rothgang in der Anhörung klar gestellt, dass eine ausgewogene Lastenverteilung zwischen der sozialen und privaten Pflegeversicherung bei deren Einführung eine Voraussetzung für deren zwei Säulen war. Diese ist schon lange nicht mehr gegeben, die Rückstellungen der privaten überragen die der sozialen um Längen. Das hat verschiedene Gründe und liegt neben der Lohnstruktur der Versicherten auch an deren Altersstruktur und den vorhandenen Risiken für Pflege in beiden Versichertengruppen. Nach Auffassung Rothgangs wäre nach Maßgabe des Bundesverfassungsgerichts daher mindestens ein Finanzausgleich von der privaten zur sozialen Pflegeversicherung fällig. Außerdem würde mit einer Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze auf das Niveau der Rentenversicherung West in etwa genauso viel Geld generiert werden, wie die Bundesregierung nun mit der Anhebung der Beiträge kalkuliert. Der Unterschied ist, dass die Bundesregierung dieses Geld vor allem von Menschen mit geringem und mittlerem Einkommen holt und Spitzenverdiener*innen schont.

Gemeinsam mit einer Ausweitung des verbeitragten Einkommens, etwa indem Renditen und Profite einbezogen werden, ist das Geld für eine echte Unterstützung und Entlastung der Pflege da. Die Bundesregierung allerdings weigert sich diesen Schritt zu gehen und spart auf Kosten derer, die Hilfe brauchen. Das ist schäbig und kurzsichtig.