Entkriminalisierung jetzt! Akzeptierende Hilfe statt Law and Order

Entkriminalisierung jetzt! Akzeptierende Hilfe statt Law and Order

Vielen Dank. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Müller, Sie haben am Anfang gesagt, das Thema sei nicht zur Politisierung geeignet. Ich glaube, die Tatsache, dass Sie Ihren Gesetzentwurf jetzt vorstellen, obwohl die Koalition und der Justizminister gesagt haben, sie würden daran arbeiten, und Ihr Gesetzentwurf nur aus ein paar Veränderungen des Entwurfs der Bund-Länder-Runde besteht, zeigt, dass da schon ein bisschen Politisierung dabei ist. Da können Sie ruhig ehrlich sein.

Ich darf Herrn Fechner verbessern: Es gibt noch eine Veränderung. Sie behaupten, dass Kosten eingespart würden. Im Abschlussbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe steht aber, dass keine Kosten eingespart werden,

(Axel Müller [CDU/CSU]: Doch, doch!)

weil Sie die Aufenthalte im Gefängnis verlängern wollen. Deswegen stimmt es nicht ganz, was Sie behauptet haben, auch wenn Sie es quasi in Ihrem Vorschlag suggerieren. Es wäre daher wirklich gut, da noch mal genauer drüberzuschauen.

Ich möchte aber – na ja, vielleicht typisch für Linke – noch ein bisschen mehr politisieren; Frau Bayram hat es ja schon ansatzweise angesprochen. Das grundlegende Problem findet sich andeutungsweise schon im Gesetz selbst. Da ist auch schon ein veraltetes Weltbild im Umgang mit Suchtkranken zu sehen. Ich meine, der Begriff „Entziehungsanstalten“ deutet ja so ein bisschen darauf hin, dass das Gesetz nicht im Jahr 2022 erfunden wurde. Vielleicht könnte man da auch mehr machen, als einfach einen Entwurf von der Bund-Länder-Runde zu kopieren, Herr Kollege Müller.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Heike Engelhardt [SPD])

Es ist nämlich eine irrige Annahme, Menschen könnte durch eine erzwungene Suchtbehandlung zu einem selbstbestimmten Leben verholfen werden. Frau Bayram hat es angesprochen: Ein ganz anderer Vorschlag dazu kommt zum Beispiel von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie. Schauen Sie sich den vielleicht mal an und lesen Sie da mal rein.

Es ist auch eine abwegige Annahme, dass den Menschen ein Entzug ohne jede Hilfe beim Verlassen des Umfeldes, der Szene, beim Umgang mit der meist lebenslangen Suchterkrankung langfristig wirklich helfen würde. Genauso sind aber die Entziehungsanstalten bislang angelegt.

Der Maßregelvollzug in einer Entziehungsanstalt vermischt gegenwärtig Heilbehandlungen, die eben ohne Zustimmung und Mitwirkung der Betroffenen meist nicht sinnvoll sind, mit dem Polizeirecht zur Sicherung der öffentlichen Ordnung. Und das, Herr Müller – ich spreche Sie auch direkt an –, sollten wir dringend überdenken. Da gibt es nämlich bereits Vorschläge, aus denen Sie vielleicht etwas lernen könnten.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber lassen Sie uns – damit komme ich zu einem weiteren Punkt – doch einfach weiterdenken, auch weil durch die Debatte zur Legalisierung von Cannabis so ein bisschen Schwung in die Sache kommt. Eine nicht geringe Verantwortung für den gegenwärtigen Zustand trägt der Teufelskreis, der aus der Illegalisierung von Konsumierenden von Rauschmitteln entsteht. Zunächst droht Strafe aufgrund einer Handlung, die niemandem Schaden zugefügt hat außer einem selbst. Und das ist nirgends, außer in dieser Strafanordnung, mit Strafe bedroht.

Dann kommen aber viele Suchtkranke aus dem Teufelskreis der Illegalisierung nicht mehr raus. Genau da müssen wir helfen. Das Ziel der Drogen- und Suchtpolitik darf eben nicht mehr sein, die Konsumierenden zu verfolgen, und zwar nicht nur bei Cannabis, sondern bei allen illegalisierten Drogen. Suchtkranke brauchen Hilfe. Zur Hilfe gehört weniger der reine Entzug, der oft ohnehin kaum möglich ist, und schon gar kein Gefängnis, sehr verehrte Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Übersetzt und abschließend für die CDU/CSU: Wenn Sie wirklich Kosten sparen wollen, stoppen Sie die Verschwendung von Millionen Arbeitsstunden bei Polizei und Staatsanwaltschaften, und lassen Sie die Polizei aus dem Spiel, wenn es um den Eigenbedarf geht, entkriminalisieren Sie.

Ich komme zum Schluss. – Stärken Sie stattdessen die Behandlungskapazitäten für die vielen, vielen Menschen, die Hilfe etwa in der spezialisierten Psychotherapie, in der Substitutionsbehandlung, in der akzeptierenden Drogenhilfe oder auch in der stationären Behandlung dringend suchen.

Vielen, vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)