Nur eine Scheinlösung: Bundesregierung bekämpft Lieferengpässe bei Arzneimitteln nicht

Nur eine Scheinlösung: Bundesregierung bekämpft Lieferengpässe bei Arzneimitteln nicht

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sie haben es ausgeführt, Herr Lauterbach: Bei knapp 500 Medikamenten kommt es gegenwärtig zu Lieferproblemen. Das sind nicht irgendwelche Medikamente, das sind Schmerzmittel, Antibiotika, Blutdrucksenker, Krebsmedikamente, Psychopharmaka. Das sind wichtige Medikamente, die in diesem Land fehlen. Dafür verantwortlich – das haben Sie sogar auch noch erkannt – sind sogenannte Rabattverträge.

Was sind Rabattverträge? Ganz grob: Ein Pharmahersteller sichert einer Krankenkasse einen Rabatt für ein Medikament zu. Die Kasse verspricht, nur noch dieses an ihre Versicherten abzugeben. Man muss jetzt nicht Marxist sein – da reicht auch die neoliberale, ordoliberale Theorie eines Erhard –, um zu merken, dass sich so Oligopol- und Monopolstellungen bilden. Es wird ja dadurch regelrecht forciert.

(Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wäre wahr, wenn es nur eine Krankenkasse gäbe!)

– Sie haben es doch selbst erkannt. Sie haben das Problem bei den Kindermedikamenten sogar gelöst. – Aus den Monopolstellungen ergeben sich Lieferprobleme, weil man dann logischerweise von einer Lieferkette und von einem Hersteller abhängig ist.

(Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie viele Krankenkassen haben wir in Deutschland?)

Für die anderen lohnt sich die Herstellung nicht mehr. Sie haben es selbst erkannt, Frau Piechotta. Bei den Kinderarzneimitteln setzen Sie es aus und lassen es bei den restlichen 99 Prozent der engpassbedrohten Arzneimittel unberücksichtigt. Da fragt man sich: Warum bei den Kindermedikamenten, aber nicht bei allen anderen?

Außerdem wollen Sie Rabattverträge sogar noch nutzen, um Anreize dafür zu schaffen, dass die Pharmaindustrie nach Europa zurückverlegt wird. Rabattverträge sind auf der einen Seite schlecht; auf der anderen Seite sollen sie genutzt werden. Die laufen aber nur zwei Jahre. Ich weiß gar nicht, wie Sie die Hersteller überzeugen wollen, ganze Fabriken nach Europa zu verlagern, wenn die Rabattverträge nach zwei Jahren auslaufen. Das wird natürlich nicht funktionieren. Da müssen Sie keine Testversuche starten, und sich die nächsten Jahre noch mal zusammensetzen; das kann ich Ihnen jetzt schon sagen.

Sie gehen den umgekehrten Weg. Mit den Rabattverträgen schaffen Sie Monopole, Sie ermöglichen aber Fantasiepreise für andere Medikamente wie Reserveantibiotika – das sind übrigens Antibiotika, die eingesetzt werden, wenn Resistenzen gegen andere Medikamente festgestellt wurden –, ohne dass daran irgendwelche Verpflichtungen geknüpft sind. Und das zieht sich durch den restlichen Entwurf. Der Pharmaindustrie wird mehr Geld in Aussicht gestellt, ohne im Gegenzug verbindliche Gegenleistungen einzufordern – keine Vorgaben für robustere Produktionsprozesse, keine Maßnahmen zur Vorbeugung von Lieferengpässen. Sie glauben einfach: Mehr Geld bei der Pharmaindustrie löst das Problem.

(Tino Sorge [CDU/CSU]: Das ist aber Pharma-Bashing!)

Nur die Apotheken, die für die Engpässe nichts können, werden verpflichtet. Zum Beispiel Apotheken in Krankenhäusern werden zur Bevorratung verpflichtet und müssen für ein mageres Trinkgeld nach Alternativen für Medikamente suchen. Das kann es nicht sein, sehr geehrte Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir streiten für realistische Festbeträge, die für die Unternehmen kostendeckend sind und für Patientinnen und Patienten Zuzahlungen verhindern. Nur eine ausreichende Zahl von Anbietern kann eine sichere Versorgung gewährleisten.

Lassen Sie mich abschließen. – Die Medikamentenengpässe verdeutlichen, wie absolut verdorben das System ist. Es existieren höchst fortschrittliche Medikamente. Dafür gibt es enorme Summen. Aber ältere, einfach herzustellende, lebensrettende Medikamente werden nicht mehr produziert, weil sich die Produktion nicht lohnt. Menschen sterben deswegen in diesem Land. Das darf nicht sein. Das kann nicht sein.

Ich komme zum Schluss. – Sie haben das wohl erkannt; aber Sie möchten sich nicht mit den Mächtigen anlegen, und zwar hier wie da. Um Leben zu retten, müssen wir uns mit den Mächtigen anlegen.

Wir setzen uns dafür ein, dass nicht länger die Gewinnmargen der Pharmaindustrie unsere Arzneimittelversorgung bestimmen, sondern Regeln die Arzneimittelversorgung für alle Bürgerinnen und Bürger krisenfest gewährleisten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)