Profitorientiertes Gesundheitssystem schafft künstliche Knappheit

Profitorientiertes Gesundheitssystem schafft künstliche Knappheit

Reden

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Nun liegt das Gesetz zur Triage vor. Mit diesem Gesetz soll ein Rahmen geschaffen werden, wie Entscheidungen über Leben und Tod getroffen werden sollen. Bevor ich ein paar Sätze über diese zentrale ethische Fragestellung verlieren möchte, lassen Sie mich festhalten, dass dieses Gesetz sehr deutlich macht, wie unmoralisch das profitorientierte System ist, in dem wir leben, und dass dies insbesondere im Gesundheitssystem nun wirklich gar nichts verloren hat.

Warum? Das profitorientierte System schafft künstliche Knappheit. Für Katastrophen und unvorhergesehene Ereignisse müssen Betten, Ressourcen und Personal vorgehalten werden – etwas, was finanziell nur ein Kostenpunkt ist, wenn es nicht zum Einsatz kommt. Da das Gesundheitssystem aber auf Profitorientierung und damit auch auf Sparen ausgelegt wurde, wurden jahrzehntelang Betten und Personal abgebaut. Selten wurde deutlicher: Das System ist dysfunktional und gewissermaßen ein moralisches Desaster. Es liegt an uns, es zu ändern, sehr geehrte Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Das hat auch zur Folge, dass auf verschiedensten Ebenen bereits vortriagiert wird. Wenn nur noch wenige Betten frei sind, dann wird eben schon vor dem letzten Bett entschieden, wer die knappe Ressource einer Intensivbehandlung bekommt und wer manchmal eben auch nicht. Das System fördert solche Entscheidungen, auch wenn ein Großteil des medizinischen Personals natürlich auch in diesem System ihr Möglichstes versucht, häufig auf Kosten der eigenen psychischen und physischen Gesundheit. Klar ist also: Jede Triage-Entscheidung, in die das medizinische Personal gezwungen wird, ist eine Bankrotterklärung der Gesamtgesellschaft.

Vielleicht ist es da nur folgerichtig, dass auch der Bundestag selbst keine gute Entscheidung treffen können wird. Auf der einen Seite das, was die Regierung nun vorlegt: Der Entwurf erlaubt, auf Basis der kurzfristigen Überlebenswahrscheinlichkeit der Patienteninnen und Patienten zu entscheiden. Herr Hüppe hat dazu schon einige sehr richtige Sachen gesagt. Eigentlich gilt aber: Hat ein Mensch eine Überlebenswahrscheinlichkeit, wird er behandelt. Wenn wir nun anfangen, den Grad der Überlebenswahrscheinlichkeit zu vergleichen, dann haben bestimmte Personengruppen unvermeidbar Nachteile. Dann diskriminieren wir. Auch wenn man dem Gesetz den verzweifelten Versuch ansieht, Diskriminierungen rauszuhalten, wird es niemals diskriminierungsfrei sein. Das ist mit der Würde des Menschen nicht vereinbar, sehr geehrte Damen und Herren.

Eine Variante, die einige Behindertenverbände vorgeschlagen haben, ist die Randomisierung. Diese Variante überlässt die Entscheidung, wer nun behandelt wird, dem Zufall, gewissermaßen dem Schicksal. Das ist keine zufriedenstellende Variante; sie kann es nicht sein. Aber immerhin wäre sie diskriminierungsfrei.

Eine Entscheidung für das eine wie das andere wird weiterhin zu vorgelagerten Triage-Entscheidungen führen. Denn das medizinisch verantwortliche Personal wird es sicher vermeiden – übrigens unter weiterer Mehrbelastung –, solche Entscheidungen so zu treffen. Gleichzeitig dürfen solche Entscheidungen niemals Normalität werden. Jede Triage muss eine Art Notstand, erklärten Ausnahmezustand, zur Folge haben. Konsequenzen müssen diskutiert werden, damit daraus niemals Normalität wird.

Die wichtigste Konsequenz – ich komme zum Schluss – kennen wir schon jetzt: Lassen Sie uns dafür sorgen, dass sich das Gesundheitssystem wieder am Bedarf der Menschen und nicht am Profit orientiert und dass es nicht selbstverschuldet zu Ressourcenknappheiten kommt!

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)